07 – Risiken bei der Kanzleinachfolge

Die Übertragung einer StB-Kanzlei ist rechtlich, betriebswirtschaftlich und psychologisch ein komplexer Vorgang, der den Kanzleiinhaber und seinen  Nachfolger mit ungewohnten Fragestellungen konfrontiert. Mit der richtigen Vorgehensweise gelingt es in den meisten Fällen, die Kanzleinachfolge harmonisch und konfliktfrei zu gestalten und spätere Streitigkeiten weitgehend zu vermeiden.

Angaben zum Mandantenstamm

Gegenstand der Kanzleinachfolge ist in der Regel der vorhandene Mandantenstamm sowie das Inventar (Büroeinrichtung, Fachliteratur, EDV). Der Mandantenstamm ist dabei der wichtigste Bestandteil der Praxisübertragung. Leider hat es in der Vergangenheit immer wieder Fälle gegeben, in denen vom Verkäufer unzutreffende Angaben über Umfang und Eigenschaften des Mandantenstamms gemacht wurden. Die einzelnen Mandanten sollten daher in einer Mandantenliste als Anlage zum Kaufvertrag aufgeführt werden. Die Auflistung kann unter Nennung der wichtigsten Mandantendaten erfolgen (Branche, Rechtsform, Lebensalter, Dauer des Mandats, Honorarstruktur, Dauer der Geschäftstätigkeit, Lastschriftermächtigung).

Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht

Bei der Kanzleiübertragung ist die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht zu beachten (§ 57 Abs. 1 StBerG, § 203 StGB, § 4 und 28 BDSchG). Die namentliche Nennung von Mandanten in einer Mandantenliste unter Offenlegung weiterer Mandantendaten ist gegenüber dem Kanzleikäufer daher nur mit Einwilligung der Mandanten zulässig – sofern dem Nachfolger diese Daten nicht bereits durch seine bisherige Tätigkeit auf zulässige Weise bekannt geworden sind. Ein unter Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht abgeschlossener Kaufvertrag ist wegen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nichtig (§ 134 BGB). Bis zur Einwilligung des Mandanten dürfen die Kaufvertragsverhandlungen daher nur anhand einer anonymisierten Mandantenliste geführt werden, in der statt der Mandantennamen nur eine laufende Nummer enthalten ist.

Beispiel:  Anonymisierte Mandantenliste

Lfd. Nr Lebens-
alter
Branche Rechts-
form
Schriftl.
Vertrag
(ja/nein)
Honorar-
Einzug
(ja/nein)
Honorar
Buch-
Haltung
Honorar
Jahres-
Abschluss
Honorar
Steuer-
erklärung
Honorar
Beratung

 

Abwanderung von Mandanten       

 Ein zentrales Risiko der Kanzleinachfolge besteht darin, dass Mandanten nach der Kanzleiübernahme „abwandern“, weil sie den Nachfolger aus fachlichen oder zwischenmenschlichen Gründen nicht als gleichwertigen Berater akzeptieren.  Dieses Risiko kann minimiert werden, wenn der Nachfolger vor der Kanzleiübernahme zunächst als Angestellter oder freier Mitarbeiter in der Kanzlei tätig wird: Nach 6 – 12 Monaten lässt sich meist relativ gut beurteilen, ob der Nachfolger zu den Mandanten passt und von ihnen akzeptiert wird.

Für die offizielle Vorstellung des Nachfolgers bietet sich dann die nächste  Mandantenveranstaltung an. Mit A-Mandanten sollte zudem ein persönliches Einzelgespräch geführt werden, damit diese wichtigen Mandate möglichst vollständig erhalten bleiben.

Zur Mandantenbindung eignet sich außerdem eine überleitende Mitarbeit des bisherigen Kanzleiinhabers nach der Kanzleiübertragung. Aus Mandantensicht findet auf diese Weise ein sanfter Übergang auf den Nachfolger statt, denn der Verkäufer ist in der Übergangszeit für die Mandanten weiterhin ansprechbar. Allerdings sollte für die Zeit der überleitenden Mitarbeit unbedingt eine klare Aufgaben- und Kompetenzabgrenzung zwischen dem bisherigen und dem neuen Kanzleiinhaber erfolgen. Nichts ist für das Image des neuen Inhabers schädlicher, als wenn der bisherige Inhaber die Entscheidungen oder die Arbeitsweise des Nachfolgers gegenüber Mandanten kritisiert. Bei einer überleitenden Mitarbeit ist daher sicherzustellen, dass der Nachfolger und nicht mehr der bisherige Kanzleiinhaber der Hauptansprechpartner für Mandanten und Mitarbeiter ist. Diese neue Situation muss vom bisherigen Kanzleiinhaber ausdrücklich akzeptiert werden – auch wenn es manchmal schwer fällt.

 Das Risiko der Mandatsabwanderung kann außerdem bei der Festlegung des Kaufpreises durch sog. „Rückrechnungsklauseln“ berücksichtigt werden. Durch eine „Rückrechnungsklausel“ wird der vereinbarte Kaufpreis nachträglich reduziert, wenn nach der Kanzleiübernahme unerwartete Umsatzrückgänge bzw. Mandatsverluste eintreten. Die endgültige Höhe des Kaufpreises richtet sich dann nach der Anzahl der Mandanten bzw. der Höhe des Umsatzes, der nach Ablauf eines vereinbarten Zeitraums noch vorhanden ist (z.B. nach Ablauf von 12 Monaten). Rückrechnungsklauseln führen allerdings dazu, dass Verkäufer und Nachfolger nach Ablauf des Rückrechnungszeitraums erneut über die Höhe des endgültigen Kaufpreises diskutieren müssen.

Fehlende Akzeptanz bei Mitarbeitern

Junge Kanzleinachfolger haben oft einen anderen Führungs- und Arbeitsstil als der ältere Kanzleiverkäufer. Bei der Kanzleinachfolge besteht daher die Gefahr, dass einzelne Mitarbeiter die Kanzlei verlassen, weil ihnen der neue Führungsstil nicht gefällt. Der Nachfolger sollte daher nicht sofort nach der Übernahme etablierte Arbeitsabläufe oder Kompetenzen in Frage stellen, sondern zunächst persönliche und fachliche Akzeptanz im Mitarbeiterkreis anstreben bevor eigene Akzente gesetzt und größere Veränderungen angegangen werden. Gerade gegenüber älteren und langjährigen Mitarbeitern sollte ein junger Nachfolger nicht „den Chef heraushängen lassen“ oder Neuerungen einfach anordnen, sondern Mitarbeiter aktiv in Veränderungsprozesse einbeziehen. Ältere Mitarbeiter reagieren meist gereizt auf den „Jungspund ohne Praxiserfahrung“, der alles besser weiß. Autoritäres Verhalten, „kluge Ratschläge“, „Besserwisserei“ und „Belehrungen“ müssen unbedingt vermieden werden – der Ton macht hier die Musik. Stattdessen empfiehlt es sich, das langjährige Erfahrungswissen älterer Mitarbeiter ausdrücklich anzuerkennen („Das kann man nicht aus Büchern lernen.“) und um Unterstützung zu bitten („Wir brauchen Ihr Know how.“). Wer auf diese Weise seine Wertschätzung ausdrückt, macht Mitarbeiter zu loyalen Unterstützern, wenn es um Veränderungen geht.

Praxishinweis

Je ähnlicher sich der bisherige und der neue Kanzleiinhaber von der Persönlichkeit und der Arbeitsweise her sind, desto weniger empfinden Mitarbeiter und Mandanten den Wechsel in der Kanzleileitung als „Bruch“ und desto geringer ist i.d.R. das Abwanderungsrisiko im Mandanten- und Mitarbeiterkreis.

Wettbewerbs- und Mandantenschutzklauseln

 Anlässlich der Kanzleinachfolge sollte auch die zukünftige Tätigkeit des Verkäufers besprochen werden, um bereits im Vorfeld eine mögliche Konkurrenzsituation auszuschließen. Durch Wettbewerbs- und Mandantenschutzklauseln im Praxisübertragungsvertrag kann sich der Nachfolger vor unerwünschter Konkurrenz durch den Praxisverkäufer schützen.

Checkliste nutzen

Die folgende Checkliste mit den wichtigsten Punkten der Kanzleiübertragung hilft Ihnen, die Kanzleinachfolge optimal zu gestalten. Passen Sie die Checkliste durch Ergänzungen oder Streichungen auf Ihre individuelle Situation an. Auf diese Weise sorgen Sie dafür, dass kein wichtiger Punkt unberücksichtigt bleibt und spätere Auseinandersetzungen vermieden werden. Bei der Gestaltung des Kaufvertrages können Sie außerdem auf Musterverträge der Berufsorganisationen zurückgreifen, um juristisch abgesicherte Vereinbarungen zu treffen.

Checkliste:  Praxisnachfolge

O   Definition des Vertragsgegenstandes (Mandantenliste, Inventarliste)
O   Festlegung des Übergabezeitpunkts
O   Ermittlung des Kaufpreises (ggf. Rückrechnungsklausel vereinbaren)
O   Finanzierung und Zahlung des Kaufpreises
O   Einwilligung der Mandanten zur Akteneinsicht
O   Übergabe der Mandantenakten
O   Behandlung der teilfertigen Arbeiten
O   Eintritt in laufende Verträge
O   Übernahme der Mitarbeiter (§ 613 a BGB)
O   Wettbewerbs-/ Mandantenschutzklausel für den Verkäufer
O   Überleitende Mitarbeit des Verkäufers

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