14 – Nachfolgeberatung als Geschäftsfeld für Steuerberater

Das Thema „Unternehmensnachfolge“ wird erfahrungsgemäß von vielen Mandanten verdrängt, solange kein akuter, zwingender Handlungsbedarf besteht – weil sich niemand gerne mit der eigenen „Entbehrlichkeit“ auseinandersetzt und sein „Lebenswerk“ in andere Hände gibt. Aktivitäten werden daher häufig erst dann eingeleitet, wenn konkrete Handlungszwänge oder Krisensituationen eingetreten sind (Krankheit, Unfall, Familienstreitigkeiten, Tod). Die Nachfolgeberatung unterscheidet sich von anderen Beratungssituationen insbesondere dadurch, dass neben rechtlichen und wirtschaftlichen Faktoren auch emotionale und familiäre Aspekte eine erhebliche Rolle spielen. Deshalb ist nicht nur rechtlicher und wirtschaftlicher Sachverstand sondern oft auch psychologisches „Fingerspitzengefühl“ gefragt, um zwischenmenschliche Meinungsverschiedenheiten und Konflikte zwischen den Beteiligten zu bewältigen und eine für alle Beteiligte akzeptable Lösung zu finden.

Die Regelung der Unternehmensnachfolge im Mandantenbetrieb ist für StB ein naheliegendes Geschäftsfeld, denn der StB kennt die betrieblichen und privaten Verhältnisse des Mandanten aus der bisherigen Beratungstätigkeit meist sehr genau  und ist aufgrund dieses „Gesamtüberblicks“ besser eher als jeder andere Berater in der Lage ist, den Mandanten bei dieser Thematik  zu unterstützen. Wegen der bei Unternehmensübertragungen drohenden Steuerbelastung ist der StB bei der Nachfolgeplanung i.d.R. auch der erste Ansprechpartner für den Mandanten. Daneben stellen Banken im Rahmen des Rating häufig die Frage, ob  die Unternehmensnachfolge beim Mandanten geregelt ist. Bei fehlender Nachfolgeregelung verschlechtert sich das Rating und die Kreditwürdigkeit entsprechend. Mit einer individuellen Nachfolgeregelung hilft der StB dem Mandanten daher auch, die Kreditwürdigkeit zu verbessern bzw. zu sichern.

Erfolgreiche Nachfolgeberatungen führen zudem oft zu Weiterempfehlungen, weil Mandanten in ihrem persönlichen Umfeld stolz darüber berichten, trotz anfänglicher Zurückhaltung und Vorbehalte nunmehr „klare Verhältnisse“ geschaffen zu haben und das Gefühl zu haben, dass nun „alles geregelt ist“.

 Erfassung der beratungsrelevanten Mandate

Wer als Steuerberater die Nachfolgeberatung zukünftig aktiver als bisher anbieten möchte, sollte zunächst die beratungsrelevanten Mandate aus seinem Mandantenstamm erfassen und diese Mandanten dann gezielt ansprechen. Auswahlkriterien für eine Nachfolgeberatung sind insbesondere Lebensalter, Gesundheitszustand, Vermögensverhältnisse und familiäre Verhältnisse des Mandanten, die Bankabhängigkeit des Mandantenbetriebs (Nachfolgeregelung = Ratingkriterium), der Umfang des Betriebsvermögens sowie drohende Steuerbelastungen.. Auch eine hohe Personenbezogenheit des Unternehmens, die vor einer  Übergabe nur mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf bzw. durch überleitende Mitarbeit zu reduzieren ist, kann ein Auswahlkriterium sein.

Sensibilisierung des Mandanten

Sensibilisieren Sie Ihre Mandanten in einem persönlichen Gespräch für die Notwendigkeit der Nachfolgeregelung, indem Sie auf die Bedeutung einer individuellen Nachfolgeregelung für den langfristigen Fortbestand des Unternehmens hinweisen und die Risiken einer fehlenden Nachfolgeregelung aufzeigen (z.B. Zerschlagung des Unternehmens mangels Nachfolger, Eintritt der gesetzlichen Erbfolge mit ggf. unerwünschten Folgen, erbrechtliche Auseinandersetzungen innerhalb der Familie, ErbSt-Belastung, Verschlechterung des Rating). Der Hinweis auf den zeitlichen „Vorlauf“ von Nachfolgeregelungen durch die  erforderliche Einarbeitung des Nachfolgers und die ggf. erforderliche überleitende Mitarbeit kann im Einzelfall ein weiteres Argument für eine zeitnahe Nachfolgeregelung sein.

 Praxistipp:

Neben der persönlichen Ansprache ausgewählter Mandanten (z.B. anlässlich der Jahresabschlussbesprechung) kann das Beratungsangebot zusätzlich durch das Auslegen von Flyern oder Merkblättern in der Wartezone der Kanzlei und durch  einen entsprechenden Hinweis auf der Kanzleihomepage bekannt gemacht werden. Vielleicht gelingt es Ihnen auch, in der regionalen Tageszeitung einen informativen  Artikel zum Thema „Nachfolgeplanung“ zu platzieren und damit das Beratungsangebot und Ihren persönlichen Bekanntheitsgrad zu erhöhen.

Erarbeitung des Nachfolgekonzepts

Die Erarbeitung eines konkreten Nachfolgekonzepts erfolgt typischerweise anhand von Checklisten, die eine vollständige Erfassung aller relevanten Daten gewährleisten. In der nachfolgenden Checkliste sind die wichtigsten und häufigsten Punkte für das Nachfolgegespräch mit dem Mandanten zusammengefasst. Die Checkliste erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und muss im Einzelfall durch Ergänzungen oder Streichungen auf die individuellen Verhältnisse des Mandanten angepasst werden.


Checkliste:  Nachfolgeberatung

O Welche Ziele sollen mit der Nachfolgeregelung erreicht werden (z.B. Erhaltung des Unternehmens, wirtschaftliche Absicherung im „Ruhestand“, gerechte Vermögensverteilung innerhalb der Familie, Minimierung der Steuerbelastung).

O Welcher Personenkreis kommt als Nachfolger in Betracht  (Familienangehörige, leitende Mitarbeiter)? Muss ggf. extern nach einem Nachfolger gesucht werden (Anzeigen, Unternehmensbörsen, Makler)?

O Welche Anforderungen muss der Nachfolger erfüllen (= “Anforderungsprofil“)?

O Welches Privatvermögen ist vorhanden (Grundbesitz, Kapitalvermögen, Lebens-/ Rentenversicherungen, Verbindlichkeiten)?

O Welches Betriebsvermögen ist vorhanden (Aktiva, Passiva)? Ist das Unternehmen auf Grund der derzeitigen wirtschaftlichen Situation für eine Übergabe geeignet (Umsätze, Gewinne)?

O Ist das Unternehmen stark von der persönlichen Tätigkeit des Mandanten abhängig? Kann diese Personenabhängigkeit durch entsprechende Maßnahmen verringert werden (z.B. durch stärkere Delegation von Aufgaben oder Vertretungsregelungen)? Gibt es Notfall- / Vertretungsregelungen für einen unerwarteten Ausfall des Mandanten (durch Unfall, Krankheit)?

O Soll die Übertragung des Vermögens entgeltlich, unentgeltlich oder teilentgeltlich erfolgen?

O Ist die persönliche Altersversorgung des Übergebers bereits gesichert oder ist der Veräußerungspreis für das zu übertragende Unternehmen Bestandteil der persönlichen Altersversorgung? Wie wichtig ist es, dass ein bestimmter (Mindest-) Veräußerungspreis erzielt wird? Durch welche Maßnahmen kann der Wert des Unternehmens bis zum Veräußerungszeitpunkt gesteigert werden, um einen möglichst hohen Veräußerungspreis zu erzielen?

O Wie sind die güterrechtlichen Verhältnisse geregelt (Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung, Gütergemeinschaft)? Ist ein aktuelles Testament oder ein Erbvertrag vorhanden? Ist die Anordnung einer Testamentsvollstreckung sinnvoll?

O Sind Pflichtteilsansprüche, Abfindungs-/ Ausgleichszahlungen oder Versorgungsleistungen zu berücksichtigen? Sollen Nutzungsrechte bestellt bzw. vorbehalten werden (Nießbrauch / Wohnrecht) ?

O Wie kann die ErbSt- / ESt- / GrESt- Belastung möglichst gering gehalten werden?

O Sind weitere Berater hinzuzuziehen (Rechtsanwalt, Notar)?

O Wann sollen Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Banken über die Nachfolge informiert werden. Wie werden diese Personen auf den Inhaberwechsel reagieren?:

O Wie, wann und in welchem Umfang soll der Nachfolgeplan mit der Familie abgestimmt werden ? Sind familiäre Auseinandersetzungen zu erwarten?

O Soll die Übergabe in einem Schritt erfolgen oder stufenweise über einen längeren Zeitraum ? Ist eine überleitende Mitarbeit des Mandanten sinnvoll?  Möchte der Mandant auch nach der Übergabe noch Einfluss im Unternehmen haben (als Berater oder Beiratsmitglied)?

O Wie könnte ein konkreter Zeitplan für die Nachfolgeregelung aussehen (mit „Etappenzielen“ und einem endgültigen Übergabetermin)?


Praxistipp:  Mediation

Gelegentlich verhindern zwischenmenschliche Differenzen oder familiäre Streitigkeiten eine wirtschaftlich und rechtlich sinnvolle  Nachfolgeregelung. In diesen Fällen müssen i.d.R. zunächst die zwischenmenschlichen Differenzen geklärt werden, bevor wirtschaftliche oder rechtliche Fragen geregelt werden können. Manche StB absolvieren daher eine Zusatzausbildung zum Mediator, um auch in diesem Bereich ergänzend tätig werden zu können. Einzelheiten zu dieser Tätigkeit sind in der Stellungnahme der BStBK „Hinweise für die Tätigkeit des StB als Mediator“ geregelt. Die Stellungnahme finden Sie im „Berufsrechtlichen Handbuch“ der BStBK bzw. auf der Internetseite der BStBK.

Notfall-Ordner

Unabhängig oder ergänzend zur Nachfolgeplanung können Sie dem Mandanten auch die Erstellung eines „Notfallordners“ für den Fall seines plötzlichen, unerwarteten Ausfalls (durch Unfall, Krankheit oder Tod) anbieten. Ein solcher Notfallordner ist keine Frage des Alters, sondern eigentlich eine unabdingbare unternehmerische Vorsorgemaßnahme. Der Notfallordner sollte Unterlagen und Handlungsanweisungen für den Krankheits- bzw. Todesfall enthalten und es den Familienangehörigen ermöglichen, in diesem Fall die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Dazu müssen die Familienangehörigen die Existenz und den Aufbewahrungsort des Notfallordners kennen. Der Notfallordner sollte regelmäßig (jährlich) aktualisiert und an geänderte Verhältnisse angepasst werden.

Checkliste:  Inhalt einer „Notfall-Akte“

Betrieblicher Bereich:

  • Gesellschaftsvertrag, Handelsregisterauszug
  • Vollmachten, Vertretungsregelungen, Zugangsberechtigungen (Password / PIN)
  • Berater (StB, Rechtsanwalt, Notar)
  • Bankverbindungen / Bankvollmachten
  • Darlehensverträge, Versicherungsverträge, Mietverträge, Leasingverträge
  • Jahresabschluss
  • Wer ist im „Notfall“ zu informieren? (Geschäftspartner, Lieferanten, Kunden, Banken)
  • Was ist im Unternehmen zu veranlassen? (Maßnahmenkatalog für die ersten Tage)

Privater Bereich

  • Geburts- / Heirats- / Familienurkunden
  • Testament / Erbvertrag
  • Bankverbindungen
  • Versicherungsverträge, Darlehensverträge
  • Password / PIN
  • Vermögensverzeichnis (Vermögenswerte und Schulden)
  • laufende Einnahmen und Ausgaben
  • Dokumente über Haus- und Grundbesitz
  • Mitgliedschaften (Vereine, Verbände)
  • Wer ist im „Notfall“ zu informieren? (Bank, Rechtsanwalt, Notar, Testamentsvollstrecker)
  • Wer kann bei der Durchführung der erforderlichen Maßnahmen helfen? („Vertrauenspersonen“)
  • Maßnahmekatalog für die ersten Tage

Honorar, Haftung und Versicherung    

Die steuerrechtliche Beratung anlässlich der Unternehmensnachfolge ist eine Vor-behaltsaufgabe i.S.d. StBerG, die nach der StBVV abzurechnen und durch die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abgedeckt ist. Soweit daneben eine wirtschaftliche (nichtsteuerliche) Beratung erfolgt, handelt es sich um eine sog. „vereinbare Tätigkeit“ i.S.d. StBerG, die nicht unter die StBVV fällt. Die Honorare für betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen können daher grds. frei vereinbart werden. In Honorarumfragen bei Steuerberatern werden von den meisten Kanzleien Stundensätze für betriebswirtschaftliche Beratungen von 90 – 140 Euro genannt, teilweise aber auch deutlich höhere Beträge (bis 250 Euro oder mehr). Es empfiehlt sich daher, eine schriftliche Vereinbarung über Inhalt und Umfang der Nachfolgeberatung sowie über die Höhe des Honorars zu treffen und ggf. eine Abstimmung mit dem Haftpflichtversicherer herbeizuführen, ob diese Tätigkeit durch den derzeitigen Versicherungsvertrag abgedeckt ist.

Einschaltung von Kooperationspartnern

Die Nachfolgeberatung erfordert i.d.R. die Berücksichtigung steuerlicher, rechtlicher und wirtschaftlicher Faktoren. Die Gestaltungsmöglichkeiten und der Beratungsauf-wand sind entsprechend hoch. Eine umfassende Beratung kann in der Regel nicht durch eine Einzelperson, sondern nur durch Zusammenarbeit mehrerer kompetenter und spezialisierter Berater erfolgen. In vielen Fällen wird insbesondere eine Kooperation mit Rechtsanwälten, Notaren oder Unternehmensberatern erforderlich sein. In diesem Fall ist eine eindeutige vertragliche Vereinbarung über die Abgrenzung der jeweiligen Rechte und Pflichten zu treffen. Der StB sollte versuchen, sich bei derartigen Kooperationen die „Federführung“ bei der Nachfolgeregelung zu sichern und die notwendige Koordination übernehmen, um eine optimale zeitliche und fachliche Abstimmung zwischen den Beteiligten sicherzustellen. Der StB hat i.d.R. den besten „Gesamtüberblick“ über die Verhältnisse des Mandanten und ist deshalb der ideale „Koordinator“.

Praxistipp: Testamentsvollstreckung und Nachlassverwaltung

Die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter ist mit dem Beruf des StB vereinbar. Diese Leistung kann daher bei entsprechenden Fachkenntnissen ergänzend zur Nachfolgeberatung angeboten werden. Einzelheiten sind in den Stellungnahmen der BStBK, „Hinweise für die Tätigkeit des StB als Testamentsvollstrecker“ bzw. „Hinweise für die Tätigkeit des StB als Nachlasssverwalter“ geregelt. Die Stellungnahmen finden Sie im „Berufsrechtlichen Handbuch“ der BStBK bzw. auf der Internetseite der BStBK.

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