Bei Steuerberatern herrscht immer wieder Unsicherheit darüber, welche Stundensätze von ihren Mitarbeitern erzielt werden müssen und welche Stundensätze den Mandanten berechnet bzw. „zugemutet“ werden können. Manche Kollegen scheuen sogar eine exakte Berechnung des Stundensatzes und des erforderlichen Honorars, denn das Ergebnis der Kalkulation könnte ja Honorarerhöhung erfordern und damit ein (unangenehmes) Honorargespräch mit dem Mandanten – oder sogar die Kündigung eines langjährigen Mandats.
Am Beispiel eines Mitarbeiters aus einer Einzelkanzlei soll nachfolgend gezeigt werden, wie aus betriebswirtschaftlicher Sicht bei der Kalkulation von Stundensätzen richtigerweise vorgegangen werden müsste. Die Daten können selbstverständlich nicht unverändert für die eigene Kanzlei übernommen werden, sondern sind durch die kanzleiindividuellen Werte zu ersetzen.
Schritt 1: Ermittlung der Anwesenheitsstunden
Im ersten Schritt müssen die tatsächlichen Arbeitstage und Anwesenheitsstunden des Mitarbeiters ermittelt werden. Wenn man davon ausgeht, dass von 365 Kalendertagen pro Jahr ungefähr 165 Tage auf Wochenenden, Feiertage, Urlaub, Krankheit und externe Fortbildungstage entfallen, so verbleiben für den Mitarbeiter noch rd. 200 Arbeitstage in der Kanzlei. Bei einer täglichen Arbeitszeit von 8 Stunden ergibt sich daraus eine Anwesenheitszeit von 1.600 Stunden.
Schritt 2: Ermittlung der abrechenbaren Stunden
Die ermittelten Anwesenheitsstunden werden nie zu 100 Prozent gegenüber Mandanten abrechenbar sein. Ein Teil der Anwesenheitszeit wird für „Eigenverwaltung / Eigenorganisation“, für Tätigkeiten im EDV-Bereich (z.B. Programmeinarbeitung), für interne Fortbildung oder für Recherchearbeiten erforderlich sein. Ein typisches Beispiel ist auch die Klärung rechtlicher Zweifelsfragen: Hier stellt sich immer wieder die Frage, wie und wem diese oft zeitintensiven Tätigkeiten berechnet werden sollen. Immer demjenigen Mandanten, bei dem das Rechtsproblem erstmals auftaucht ist? Das hätte zur Folge, dass dem nächsten Mandanten mit demselben Problem keine zusätzliche Zeit berechnet würde, weil die betreffende Frage ja bereits für einen anderen Mandanten geklärt wurde. Außerdem würde das Honorar für den ersten Mandanten durch den hohen Zeiteinsatz extrem steigen, während es beim zweiten Mandanten gleich bleiben könnte. Diese Vorgehensweise kann also nicht richtig sein. Derartige Tätigkeiten können nur durch den Mitarbeiterstundensatz auf alle Mandanten umgelegt werden.
Die Anzahl der nicht abrechenbaren Stunden wird je nach Art der Tätigkeit von Mitarbeiter zu Mitarbeiter unterschiedlich sein. In Umfragen und Statistiken wird für nicht abrechenbare Tätigkeiten meist eine durchschnittliche Bandbreite von 15 % – 30 % der Anwesenheitszeit angegeben. Diese Angaben sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da die Erfassung der Zeiten nicht unbedingt vergleichbar ist. Geringe nicht abrechenbare Zeiten können z.B. bedeuten, dass der Mitarbeiter sehr rationell und gut organisiert arbeitet, es kann aber auch sein, dass der Mitarbeiter Probleme nicht erkennt oder zwar schnell aber nachlässig arbeitet. Eine exakte Ermittlung der nicht abrechenbaren Zeiten kann daher nur durch eine individuelle Zeit- und Leistungserfassung in der eigenen Kanzlei erfolgen.
Für unser Beispiel werden 25 % der Anwesenheitszeit als nicht abrechenbare Zeit angesetzt. Bei einem 8-Stundentag wären das 2 Stunden pro Tag (bzw. 400 Stunden von 1.600 Anwesenheitsstunden pro Jahr). Die abrechenbaren Stunden des Mitarbeiters betragen in diesem Fall 1.200 Stunden pro Jahr.
Schritt 3: Ermittlung der Gehaltskosten pro Mitarbeiterstunde
In der abrechenbaren Zeit müssen zunächst die Gehaltskosten des Mitarbeiters erwirtschaftet werden (Bruttogehalt, Sonderzahlungen, Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung). Für unser Beispiel wird als Gehaltskosten ein Gesamtbertrag von 42.000 Euro angesetzt. Damit ergibt sich ein Stundensatz von 35 Euro pro Stunde (42.000 Euro : 1.200 Stunden).
Schritt 4: Ermittlung der Gemeinkosten
Über die Stundensätze der Mitarbeiter müssen nicht nur die Gehälter, sondern auch alle übrigen Kosten der Kanzlei erwirtschaftet werden (Sekretariat, EDV, Miete, Versicherungen, Fachliteratur usw.). Wenn in Ihrer Kanzlei diese Gemeinkosten z.B. 80 % der Gehaltskosten betragen, so wäre auf den ermittelten Stundensatz von 35 Euro ein Zuschlag von (80 % von 35 Euro =) 28 Euro zu machen. Der Stundensatz des Mitarbeiters würde damit 63 Euro betragen.
Schritt 4: Ermittlung des Gewinnaufschlags
Da der Mitarbeiter nicht nur kostendeckend arbeiten, sondern auch einen Gewinn für die Kanzlei erwirtschaften soll, setzen wir in unserem Beispiel einen (bescheidenen) Gewinnaufschlag von 10 % an. Der Stundensatz unseres Mitarbeiters steigt damit um (10% von 63 Euro =) 6,30 Euro und beträgt nunmehr (63 Euro + 6,30 Euro =) 69,30 Euro. Der Mitarbeiter müsste daher mit den von ihm betreuten Mandanten einen Umsatz von (69,30 Euro x 1.200 Stunden =) 83.160 Euro erzielen, damit es wirtschaftlich „passt“.
Individuelle Stundensätze ermitteln
Die genannten Zahlen können sich können sich im Einzelfall natürlich deutlich nach oben oder unten verändern. Die entscheidenden Einflussfaktoren sind die Höhe der Gemein-kosten sowie die Höhe des angestrebten´und am regionalen Markt durchsetzbaren Gewinnaufschlags. Aber auch die Anzahl der Krankheitstage und der bundesland-abhängigen Feiertage wirken sich über die Zahl der Anwesenheitsstunden auf den ermittelten Stundensatz aus.
Praxistipp:
Sollten Sie nach der individuellen Kalkulation Ihrer Mitarbeiterstundensätze zu dem Ergebnis kommen, dass Ihre derzeitigen Honorare lt. StBVV im Vergleich zu den ermittelten Stundensätzen zu niedrig sind, so haben Sie im Prinzip nur zwei Möglichkeiten: Entweder das Honorar wird angepasst oder das Mandatsverhältnis wird beendet. Beide Entscheidungen führen i.d.R. zu einer Verbesserung für die Kanzlei: Eine Honorarerhöhung führt zu einer sofortigen Gewinnsteigerung, die Trennung von einem unwirtschaftlichen Mandat ermöglicht es, die gewonnene Zeit in die intensivere Betreuung der lukrativen Mandate zu investieren – insbesondere in die Betreuung der wichtigen A-Mandate.
Arbeitshilfe: Ermittlung von Mitarbeiterstundensätzen
Ermittlung der abrechenbaren Stunden:
Kalendertage pro Jahr 365 Tage
./. Wochenenden 104 Tage
= Arbeitstage 261 Tage
./. Urlaubstage 30 Tage
./. Feiertage 10 Tage
./. Krankheitstage 11 Tage
./. Fortbildungstage 10 Tage
= Anwesenheitstage 200 Tage
= Anwesenheitsstunden (200 Tage x 8 Std.) 1.600 Std
./. nicht abrechenbare Zeit (25 %) 400 Std
= abrechenbare Stunden 1.200 Std
Ermittlung des Stundensatzes:
Jahresgehalt (incl. Sonderzahlungen und Nebenkosten) 42.000 Euro
Teilkosten-Stundensatz (42.000 Euro : 1.200 Std.) 35,00 Euro
+ Zuschlag für Gemeinkosten (80 %) 28,00 Euro
= Vollkosten-Stundensatz 63,00 Euro
+ Gewinnaufschlag (10 %) 6,30 Euro
= Abrechnungs-Stundensatz 69,30 Euro